Die Idee
LIEDBasel ist eine zeitgemässe und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit der Kunstform Lied. Dabei geht es nicht nur um die Intimität von Gesang und Klavier. Und nicht nur um die Vergangenheit. Denn die InterpretInnen sind Menschen, die in der Gegenwart leben. Das Lied handelt vom Leben in nuce. Es spiegelt den Alltag in verschiedenen Jahrhunderten und unterschiedlichsten Facetten. Es erzählt und singt vom Individuum, das sich in der Gesellschaft zu behaupten versucht. Anders als eine Arie ist das Lied schon die gesamte Erzählung. Sie wird in nur wenigen Minuten verhandelt. Das macht das Lied so aussergewöhnlich und unverwechselbar.
Da das Lied ein Ganzes auf wenig Raum in kurzer Zeit ist, werden nicht nur LiedspezialistInnen über die Themen sprechen, um die es darin geht, sondern auch KennerInnen auf ganz anderen Gebieten.
Das Festival besteht aus sechs Formaten. Inspirierend sollen diese verschiedenen Ansatzpunkte nicht nur auf die InterpretInnen wirken, sondern auch auf das Publikum. Die einzelnen Veranstaltungen bieten Austausch- und Reflexionsmöglichkeiten.

Mit Daniel Behle, Oliver Schnyder und Klaus Brömmelmeier



Mit Federspiel, Daniel Behle, Oliver Schnyder, Ingeborg Danz und Michael Gees
Die großen Liederabende. KünstlerInnen von Weltformat stellen sich und ihre Arbeit vor. Unser Jahresmotto inspiriert die KünstlerInnen. Auf dem Hintergrund des Festivalmottos entwickeln die MusikerInnen unverwechselbare Programme.

Mit Daniel Behle, Oliver Schnyder, Ensemble Federspiel, Stipendiaten der LIEDAcademy



Mit Zora del Buono, Sacha Batthyany, Alain Claude Sulzer, Dr. Otmar Hauser, Nicole Coulibaly, Sibylle Burkart, Abdalhade Deb, Kurt Pelda, Dr. Helene Klaar, und Prof. Dr. Johannes Kopp

Mit Sarah Maria Sun und Jan Philip Schulze
Andrea Lorenzo Scartazzini (Kompositionsauftrag)



Mit Federspielchen
Das Motto
Ohne Familie ist so wenig auszukommen wie mit Familie. Keiner entgeht ihr. Selbst wenn er sich außerhalb ihres Wirkungskreises nur unterhalten möchte, ist sie immer noch da, und immer wieder. Filme und Serien zuhauf, in denen sich die Handlung aus ihrer Mitte entwickelt (ob Downton Abbey oder Ozark). Wohin man blickt: Familie, Zwist, Missverständnis, Misstrauen, Verrat, Schweigen und Verschweigen, Niedertracht, Neid, Eifersucht, Mord und Totschlag. Denken Sie an die Romane von Leo Tolstoi, Thomas Mann, Gabriel García Márquez oder Elsa Ferrante. Kaum eine Oper, die nicht von familiären Verstrickungen handelt: ob Monteverdis Inconorazione di Poppea, Verdis Forza del destino, Aribert Reimanns Lear oder Georg Friedrich Haas’ Bluthaus – allenthalben Schuld und Sühne in den engen Mauern der Verwandtschaft. Und wo die Familie seltsam unvollständig ist – im Erlkönig etwa, wo man nicht weiss, wo denn die Mutter bleibt – fragt man sich ständig, wie es dazu kommen konnte. Egal ob mutter- oder vaterlos: Wohin das Auge blickt, ist Drama in der Familie – bis hin zum (wahren) Fall der Psychoanalytikerin Alice Miller, die einfühlsamer über schlimme Kindheiten schreiben konnte als sonst jemand, und zugleich nichts unterließ, das Leben des eigenen Kindes zu zerstören!
Familie bedeutete einst Einheit und Zusammenhalt auf Biegen und Brechen; diese Fesselung hat sich im Lauf der Zeit in großen Teilen der Welt, aber natürlich nicht überall, gelöst. Nichts ist mehr für die Ewigkeit gedacht, schon gar nicht die Ehe. Es gibt Zahlen, die belegen, wie viele Eheversprechungen halten und wie viele Familien zerbrechen, nachdem der Alltag zu Hause eingekehrt ist. Aber man braucht sie nicht zu kennen. Es genügt, sich in den eigenen Familien, im Freundes- und Bekanntenkreis umzusehen, wenn man der Realität ins Auge blicken will: Lauter gescheiterte, geschiedene Ehen, zerbrochene Familien, glückliche Anfänge und unglückliche Fortsetzungen, verstörte Kinder, Frauen, Männer – jedoch immer auch die Glücklichen darunter, die froh sind, dem Schlimmsten entronnen zu sein.
Familie ist wie das Leben. Nicht besser und nicht schlechter. Sie ist nichts anderes als das Leben. Man kann ihr entfliehen und weiß doch, dass man früher oder später davon eingeholt wird, entweder bei helllichtem Tag oder in nächtlichen Träumen. Überall gibt es unterdrückte Geheimnisse, manchmal werden sie – oft ein, zwei Generationen später – entdeckt, auch späte Versöhnungen sind möglich, wenngleich eher die Ausnahme. Schrecklich nett eben und furchtbar kompliziert. Darüber werden wir sprechen und davon wird gesungen werden bei unserer diesjährigen, Vielfalt gewährleistenden Festivalausgabe. Auch darüber, dass man sich seine Familie hin und wieder auch aussuchen kann. Vorstand und Team von LiedBasel können ein Lied davon singen.
Alain Claude Sulzer