Rückblick

2022

Eine schrecklich nette Familie

Ohne Familie ist so wenig aus­zu­kom­men, wie mit Familie. Keiner ent­geht ihr. Selbst wenn er sich aus­ser­halb ihres Wirkungskreises nur unter­hal­ten möch­te, ist sie immer noch da, und immer wie­der. Filme und Serien zuhauf, in denen sich die Handlung aus ihrer Mitte ent­wi­ckelt (ob Downton Abbey oder Ozark). Wohin man blickt: Familie, Zwist, Missverständnis, Misstrauen, Verrat, Schweigen und Verschweigen, Niedertracht, Neid, Eifersucht, Mord und Totschlag. Denken Sie an die Romane von Leo Tolstoi, Thomas Mann, Gabriel García Márquez oder Elsa Ferrante. Kaum eine Oper, die nicht von fami­liä­ren Verstrickungen han­delt: ob Monteverdis L’Incoronazione di Poppea, Verdis Forza del desti­no, Aribert Reimanns Lear oder Georg Friedrich Haas’ Bluthaus – allent­hal­ben Schuld und Sühne in den engen Mauern der Verwandtschaft.
Und wo die Familie selt­sam unvoll­stän­dig ist – im Erlkönig etwa, wo man nicht weiss, wo denn die Mutter bleibt – fragt man sich stän­dig, wie es dazu kom­men konn­te. Egal ob mut­ter­oder vater­los: Wohin das Auge blickt, ist Drama in der Familie – bis hin zum (wah­ren) Fall der Psychoanalytikerin Alice Miller, die ein­fühl­sa­mer über schlim­me Kindheiten schrei­ben konn­te, als sonst jemand, und zugleich nichts unter­liess, das Leben des eige­nen Kindes zu zerstören. 

Familie bedeu­te­te einst Einheit und Zusammenhalt auf Biegen und Brechen; die­se Fesselung hat sich im Lauf der Zeit in gros­sen Teilen der Welt, aber natür­lich nicht über­all, auf­ge­löst. Nichts ist mehr für die Ewigkeit gedacht, schon gar nicht die Ehe. Es gibt Zahlen, die bele­gen, wie vie­le Eheversprechen hal­ten und wie vie­le Familien zer­bre­chen, nach­dem der Alltag zu Hause ein­ge­kehrt ist. Aber man braucht sie nicht zu ken­nen. Es genügt, sich in den eige­nen Familien, im Freundes- und Bekanntenkreis umzu­se­hen, wenn man der Realität ins Auge bli­cken will: Lauter geschei­ter­te, geschie­de­ne Ehen, zer­bro­che­ne Familien, glück­li­che Anfänge und unglück­li­che Fortsetzungen, ver­stör­te Kinder, Frauen, Männer – jedoch immer auch die Glücklichen dar­un­ter, die froh sind, dem Schlimmsten ent­ron­nen zu sein.
Familie ist wie das Leben. Nicht bes­ser und nicht schlech­ter. Sie ist nichts ande­res als das Leben. Man kann ihr ent­flie­hen und weiss doch, dass man frü­her oder spä­ter davon ein­ge­holt wird, ent­we­der bei hel­lich­tem Tag oder in nächt­li­chen Träumen. Überall gibt es unter­drück­te Geheimnisse, manch­mal wer­den sie – oft ein, zwei Generationen spä­ter – ent­deckt, auch spä­te Versöhnungen sind mög­lich, wenn­gleich eher die Ausnahme. Schrecklich nett eben und furcht­bar kom­pli­ziert. Darüber wer­den wir spre­chen und davon wird gesun­gen wer­den bei unse­rer dies­jäh­ri­gen, Vielfalt gewähr­leis­ten­den Festivalausgabe.
Und dar­über, dass man sich sei­ne Familie hin und wie­der auch aus­su­chen kann. Der Vorstand und das Team von LIEDBasel kön­nen ein Lied davon singen.

“LIEDBasel is not just another excuse for giving song recitals, it is a festival, run by very special people that “thinks outside the box”. And it is absolutely out of the ordinary!"

Graham Johnson, Ehrenpatron LIEDBasel

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